Der Fremde, sagt Georg Simmel in seinem berühmten Text von 1908, ist nicht »der Wandernde, der heute kommt und morgen geht, sondern der Gast, der heute kommt und morgen bleibt«. Kaum ein anderer Aspekt sagt mehr über die Kultur einer Gruppe oder Gesellschaft, als die Art und Weise, in der sie ihren Umgang mit Fremden regelt. Brillant verdichtet, stellt Simmels formale Analyse des Fremdseins ein intellektuelles Instrument von Rang dar: Richtig benutzt, gibt dieser Text eine Folie ab, vor der sich gegenwärtige wie vergangene, westliche wie exotische Gesellschaften in einem Grundzug ihrer »politischen Kutlur« erhellen lassen.